Zum Russisch-Ukrainischen Krieg

HSU

21. März 2022

In seiner heutigen Videobotschaft spricht Universitätspräsident über die Rolle der Universität vor dem Hintergrund des Russisch-Ukrainischen Krieges.

Das Video vom 14.03.2022 im Volltext

Liebe Universitätsmitglieder,
liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,

wenn ich mich heute wieder an Sie richte, geht es einmal nicht um die Bekämpfung der laufenden Pandemie.

Wir alle sind in diesen Tagen betroffen vom Russland-Ukraine-Krieg, und nicht nur wegen seiner räumlichen Nähe geht uns allen dieser Krieg näher als die meisten anderen bewaffneten Konflikte der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit.

Unsere Gedanken sind an dieser Stelle bei allen Menschen, die von diesem Krieg – mittelbar oder unmittelbar – betroffen sind.

900 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr verstärken bei der Mission Enhanced Forward Presence die Multinationale Battlegroup in Litauen zum Schutz der Bündnispartner im Baltikum. Und 13.700 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, darunter viele Absolventinnen und Absolventen unserer Universität, sind seit zwei Wochen als Teil der NATO Response Force in erhöhter Bereitschaft, um bei Bedarf in Südosteuropa das NATO-Territorium zu schützen. Dazu gehören auch fünf seegehende Einheiten der Marine und fliegende Einheiten der Luftwaffe, welche das Air Policing im Baltikum durchführen. Allen Kameradinnen und Kameraden danke ich für ihren Dienst und hoffe, dass Sie bald alle gesund wieder zu ihren Familien heimkehren.

Ich möchte weder den Krieg noch die Politik der NATO kommentieren. Denn das steht mir nach meiner Überzeugung nicht zu.

Als Universität der Bundeswehr und Dienststelle im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung haben wir in dieser besonderen Situation eine andere Rolle als die „normalen“ Universitäten. Unsere Pressestelle bekommt das tagtäglich zu spüren, denn die Medien fragen dort ständig nach Kommentaren zu Strategie und Taktik der Kriegsparteien, nach Waffensystemen und Ausrüstung, nach politischen Einschätzungen, Stellungnahmen zur Rüstungs- und Streitkräfteplanung vor dem Hintergrund des angekündigten 100-Milliarden-Sondervermögens für Ausrüstung der Bundeswehr und anderes mehr.

Wir kommentieren dies alles nicht, denn um es mal deutlich zu sagen: Es gibt kein allgemeinpolitisches Mandat unserer Universität, ihrer Gremien oder einzelner Mitglieder. Für die Bundeswehr spricht an dieser Stelle die politische Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung. Und nur die allein.

Das bedeutet jedoch nicht, dass sich fachlich ausgewiesene Expertinnen und Experten – Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Universität – nicht in den akademischen Diskurs einbringen und so zur Meinungsbildung – auch der Mitglieder der Universität – beitragen können. Und sollen. Nach meiner Auffassung auch: müssen.

Einige Kolleginnen und Kollegen haben dies bereits in hervorragender Weise getan. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich. Die Pressestelle hat begonnen, diesen Diskurs in Form einer Artikelserie auf der Homepage zu dokumentieren. Und ich möchte die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität ausdrücklich dazu ermuntern, mit Namensartikeln dazu beizutragen, sofern sie sich inhaltlich mit diesem Krieg auseinandersetzen.

Mir liegt eine Sache besonders am Herzen: Wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch Studierende aus den am Krieg beteiligten Nationen. Es sind nicht sehr viele, aber es gibt sie.

Ich verlange von jedem Universitätsmitglied, dass diesen Kolleg:innen und Kommiliton:innen vorurteilsfrei, mit Respekt und ohne jede Feindseligkeit begegnet wird. Noch in dieser Woche werde ich mich mit dieser Gruppe zu einer nicht-öffentlichen Konferenz treffen, auch um ihnen meine Wertschätzung zu versichern.

Ich habe vorige Woche bekanntgegeben, dass wir einstweilen keine neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Russland einstellen. Mir wurde von verschiedener Seite Diskriminierung vorgeworfen, als wolle ich diese Kolleginnen und Kollegen ausgrenzen.

Dem ist nicht so.

Sowohl Russland als auch die Ukraine standen bereits vor Beginn des Konflikts ­auf der sogenannten Staatenliste des Bundesinnenministeriums. Damit war der Zugang zum Öffentlichen Dienst für Personen, die nur über eine Staatsbürgerschaft aus diesen Ländern verfügen, schon immer nur mit Ausnahmegenehmigung möglich.

Und ich habe nicht vor, die Kolleginnen und Kollegen, die bereits an unserer Universität arbeiten und wichtige und wertvolle Mitglieder sind, zu vertreiben. Diese Personen gehören zu uns, verdienen Respekt und Unterstützung.

Ich habe angewiesen, dass im Präsidialbereich eine Task Force gebildet wird, die sich mit Möglichkeiten befasst, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Ukraine bei uns zu beschäftigen. Wir beteiligen uns so mit eigenen Mitteln an der Wissenschaftsbrücke, die die freie und Hansestadt Hamburg ausgelobt hat.

Darüber hinaus richten wir den Blick auch auf mögliche Beiträge für einen Wiederaufbau des Wissenschaftssystems in den betroffenen Ländern. Falls und wenn der Kanonendonner verklingt. Dies ist mir ein persönliches Anliegen, weil ich in der ersten Hälfte der 2000-er Jahre oft beruflich auf dem Balkan war. Wie Sie wissen, gab es dort schon einmal einen Krieg in Europa.

Ich fasse zusammen, wie wir uns als Universität zu diesem Krieg verhalten und wie wir den Betroffenen helfen können:

1. Wir können durch exzellente Forschung und Lehre dazu beitragen, die Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte und die Resilienz der deutschen Gesellschaft zu erhöhen.

2. Wir können uns den Herausforderungen stellen, die sich aus dem fundamentalen Wandel in der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik ergeben. Das erfordert unter anderem, mehr zu Beschaffung und zu Logistik zu forschen und zu lehren. Es kann auch ein paar zusätzliche Module in der Politikwissenschaft oder der VWL erfordern (“strategic studies”).

3. Wir können die Expertise der Universitätsmitglieder im Rahmen des Wissenschaftstransfers zur Geltung bringen. Das umfasst Publikationen des GIDS, öffentlichkeitswirksame Äußerungen unserer Expertinnen und Experten, Analyse der Kriegsfolgen und vieles mehr. Dazu gehören aber auch wissenschaftliche Veranstaltungen wie die des Kollegen Happel – großes Kino, für das ich mich ausdrücklich bedanke.

4. Wir können unsere Anstregungen in der Auftragsforschung und beim dtec.bw unter anderem mit Blick auf digitale Autarkie, Kommunikation und Führung stärken. Oder neue dual use-Technologien entwickeln.

5. Wir können einen offenen wissenschaftlichen Diskurs auf dem Campus fördern und stabile Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei uns frei arbeiten und interagieren können. Das schließt die Gewährleistung von Sicherheit auf dem Campus, beispielsweise mit Blick auf Cyber-Angriffe und Desinformation, durchaus ein.

6. Wir können den militärischen Führungskräften der Bundeswehr und anderer europäischer Streitkräfte akademische Bildung vermitteln.

7. Wir können uns an Programmen beteiligen, die kriegsflüchtigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Unterschlupf gewähren.

Was kann jeder und jede Einzelne tun?

  1. Einen Beitrag für die Punkte 1 bis 7 leisten und
  2. für die Ukraine spenden.

Ich bedanke mich an dieser Stelle im Namen der gesamten Universität für die studentischen Initiativen, die dazu geführt haben, dass unter der Federführung des Studentischen Konvents vor einer Woche 3,5 Tonnen Hilfsgüter – Hygieneartikel, Kleider, Kälte- und Nässeschutz, Erste-Hilfe- und Verbandsmaterial – gesammelt werden konnten. Mit zwei voll beladenen Transportern, die von zwei Hamburger Autovermietungen zur Verfügung gestellt worden waren, wurden die Hilfsgüter vor einer Woche bis in die Nähe der polnisch-ukrainische Grenze gebracht.

In einer zweiten Sammelaktion baten die Studierenden um Spenden zu Gunsten von „Aktion Deutschland Hilft“, einem Aktionsbündnis der großen Hilfsorganisationen. Die Sammlung erbrachte bislang bereits rund 22.000 Euro. Die Sammlung läuft noch bis 26. April.

Vielen Dank.

Noch ein letztes Wort: Aufgrund der explodierenden Corona-Zahlen werde ich mich am Freitag, dem 25. März 2022, noch einmal an Sie wenden und dann über unsere Planungen für das Frühjahrstrimester 2022 berichten.

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