Universitätspräsident Prof. Dr. Klaus Beckmann über den Paradigmenwechel bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie

HSU

16. März 2021

In seiner heutigen Videobotschaft spricht Universitätspräsident Prof. Dr. Klaus Beckmann über die ab 1. April 2021 geltenden Regelungen auf dem Campus, über weitere Lockerungen und Reihenschnelltests.

Die Videobotschaft des Präsidenten vom 16. März 2021 im Volltext

Liebe Universitätsmitglieder,
liebe Kommilitoninnen und Kommilitonen,

das Wichtigste zuerst: Wir haben derzeit fünf Universitätsmitglieder, die an COVID-19 erkrankt sind. Wir erinnern uns: Letzte Woche war es lediglich eine einzige Person.

Daneben warten weitere zwei Universitätsmitglieder auf das Ergebnis der differentialdiagnostischen Abklärung. Zehn Universitätsmitglieder, darunter sieben Studierende, sind derzeit in häuslicher Isolation. 66 haben die Krankheit offiziell überstanden. Allen, die betroffen sind oder waren, wünsche ich schnelle und vollständige Genesung.

Vor wenigen Tagen jährte sich der Tag des ersten Lockdowns der Universität. Seit einem Jahr laufe ich über menschenleere Flure, wenn ich durch „meine“ Universität gehe. Das, liebe Universitätsmitglieder, hätte ich mir in meinen schlimmsten Träumen nicht ausmalen können.

Seit einem Jahr gibt es kaum noch Präsenzlehre, und die Pandemie hat – nicht nur dem 2020er Studierendenjahrgang, aber dem besonders – ein Jahr studentischen Lebens genommen. Gerade für die schwächeren Studierenden und für die „Quietschies“ könnten sich deshalb nach unseren jüngsten Erkenntnissen die Aussichten auf Studienerfolg verschlechtert haben.

Das bewerte ich als ein Indiz dafür, dass zahlreiche Gebiete, darunter die Mathematik, ohne Präsenzlehre und Vertiefung in Kleinstgruppen – die Lerngemeinschaft auf der Wohnebene – nicht auskommen. Das betrifft vor allem die Alphas, aber nicht nur die: Als Volkswirt bin ich immer noch stolz darauf, zumindest ein wenig Mathematik gelernt zu haben.

Von der Kameradschaft, welche die Mehrheit unserer Studierenden als Offizieranwärter:innen erleben können sollte, will ich dabei gar nicht sprechen.

Und wenn die Zahl derjenigen, die unter Depressionen oder wenigstens unter einer depressiven Verstimmung leiden, in der Bevölkerung und insbesondere bei jungen Menschen zwischen 20 und 30 Jahren zugenommen hat, dann wäre es vermessen anzunehmen, dass dies bei den Menschen der Universität anders wäre. Unser Netzwerk der Hilfe leistet großartige Arbeit, aber aus dem Feedback kann ich entnehmen, dass wir es in dieser Hinsicht auch bei uns mit einer ernst zu nehmenden Herausforderung zu tun haben.

Aus meiner Bewertung führt diese Lagebeurteilung zu zwei Schlussfolgerungen:

  • Erstens, das Virus lässt nicht locker, und die Krise wird uns in den nächsten Monaten und vielleicht Jahren begleiten.
  • Zweitens, stereotype Beschränkungen wie der so genannte Lockdown lassen sich über diese Zeit nicht durchhalten.

Daher müssen wir etwas ändern.

Erlauben Sie mir dazu eine ausführlichere Erläuterung: Ich glaube nicht, dass das Virus verschwinden wird. Im Gegenteil. Die Prognosen des Robert-Koch-Instituts für die nächsten Wochen sind ausgesprochen düster. Wenn sie eintreten, trifft uns die Dritte Welle – anders als beispielsweise bei der Spanischen Grippe 1918 bis 1920 – mit noch größerer Wucht als die Erste und die Zweite Welle. Schuld ist die sogenannte „britische Mutante“, deren Wirkung deutlich gravierender zu sein scheint als bei den bisherigen Varianten. Was im Augenblick nicht verlässlich kommt, das sind Impfungen.

Wir werden also, und davon bin ich überzeugt, im August noch nicht durch sein mit Corona. Das heißt aber: Wir brauchen einen Plan, wie wir erstens weiter durchhalten können  und wie wir zweitens zukünftig unseren Auftrag ausführen können, trotz Corona. Dabei ist es wichtig, so weit wie möglich Planungssicherheit zu erlauben.

Obwohl das Infektionsgeschehen – sie haben eingangs die Zahlen gehört – nicht zu Lockerungen passt, müssen wir jetzt einen Weg finden, Resilienz auszubilden, um mittelfristig mit dem Virus leben zu können. Die Weisung Nr. 7, die am 1. April 2021 in Kraft tritt und zunächst bis zum 30. Juni 2021 Gültigkeit haben soll, trägt dem Rechnung.

In den Weisungen 1 bis 6 hatten wir den Schutz der Universitätsmitglieder über den Auftrag der Universität – Forschung, Lehre, Wissenschaftstransfer – gestellt. Ich bin nach einem Jahr und an diesem Punkt der Pandemie überzeugt, dass es Zeit für einen Paradigmenwechsel wird. Für diejenigen unter uns, die Mathematik verstehen: Wir haben bisher den Infektionsschutz als Maximanden und die Auftragserfüllung als Nebenbedingung verstanden. Mit der Weisung Nr. 7 kehren wir das um.

Also: Wir schauen in der Zukunft zunächst auf die Auftragserfüllung, stellen aber sicher, dass wir dabei einen ausgezeichneten Standard beim Infektions- und Gesundheitsschutz realisieren.

Alle formal geschulten Wissenschaftler:innen wissen, dass dies grundsätzlich keinen Unterschied machen sollte. Für die Eingeweihten: Das folgt formal aus dem Dualitätstheorem.

Aber Schluss mit dem Elfenbeinturm: im Doing macht unser Neuansatz einen gewaltigen Unterschied, weil sich unser Blickwinkel auf die Herausforderungen ändert. Es geht wieder darum, was wir gemeinsam erreichen wollen, und nur noch als Nebenbedingung darum, was wir vermeiden müssen.

Worauf kommt es mir also zentral an?

Hinsichtlich Lehre und Studium muss das Prüfungsangebot für unsere Studierenden im Vordergrund stehen. Wir können das aber nur durchhalten, wenn es gelingt, die psychischen Belastungen auf dem Campus zu verringern und andere Angebote vorsichtig neu zu starten. Die Maßnahmen werden strikt priorisiert, und wir werden uns auch in Geduld üben müssen. Denn Grundlage unseres Krisenmanagements bleibt die konsequente Durchsetzung von Regeln des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.

Was heißt das konkret?

Das Frühjahrstrimester 2021 bleibt, wie das Wintertrimester, überwiegend digital. Bis zum Juni 2021 ändert sich hinsichtlich der Lehre also nichts.

Mit Blick auf die Präsenz am Campus werden unverändert die Prüfungen priorisiert.

Sport und Allgemeine Militärische Ausbildung laufen schrittweise wieder an. Im Douaumont- und im Hanseaten-Bereich werden in den nächsten Wochen MilFit-Container aufgestellt und in Betrieb genommen. Einzelheiten zum Sportangebot erfahren Sie kurzfristig aus dem Sportzentrum.

Soziale Kontakte helfen, die Pandemie psychologisch besser zu verkraften, sind aber gleichzeitig auch der Treiber der Pandemie.

Um den Studierenden das Leben in den Wohnheimen zu erleichtern, haben wir uns zu folgendem Kompromiss entschlossen:

Jeder und jede Studierende kann eine Kontaktperson („Personal Hero“) definieren, mit der er oder sie als gemeinsamer Haushalt gilt. Das kann der Kamerad oder die Kameradin von der Wohnebene sein, aber auch der Lebenspartner oder die Lebenspartnerin. Zur Zeit lautet die Vorgabe: Sie müssen sich für eine Person entscheiden und das beim Lagezentrum aktenkundig machen.

Die Schutzmaßnahmen am Campus folgen der Idee der Kohorten-Isolierung, um ein Ausbruchsgeschehen schnellstmöglich eindämmen zu können. Eine Durchmischung verschiedener Wohnebenen ist daher auszuschließen.

Eheähnliche Gemeinschaften über Wohnebenengrenzen hinaus können ermöglicht werden, indem sich die Betroffenen gegenzeitig als „Personal Heroes“ kennzeichnen.

Und ja: Ich weiß, wie schwachsinnig all dies vor dem Hintergrund unserer erstrebten Normalität klingt. Aber diese Normalität ist weit weg. Wir müssen uns leider vorerst auf die Benennung eines oder einer „Personal Hero“ pro Person beschränken.

Der gemeinschaftliche Aufenthalt zum Lernen in Seminar- und Lernräumen unter Einhaltung der Mindestabstände und Hygienemaßnahmen ist gestattet. Weitere Erleichterungen, beispielsweise das Grillen im Außenbereich, werden lageabhängig betrachtet und entsprechende Verfahren vorbereitet.

Dazu müssen wir aber auch Voraussetzungen schaffen.

Erstens vergrößern wir die Mindestabstände von 1,5 auf 2 Meter. Damit geht natürlich auch eine Verringerung der Raumkapazität für alle Innenräume einher.

Zweitens bereiten wir uns organisatorisch darauf vor, Schnelltests auf dem Campus durchzuführen. Ziel ist, dass jeder und jede Universitätsangehörige, der oder die sich auf dem Campus aufhält oder zum Campus zurückkehrt, einmal wöchentlich getestet werden kann.

Wir wissen, dass diese Schnelltests nur eine Genauigkeit von 98 bis 99 Prozent haben. Bei zweitausend Tests pro Woche müssen wir also mit 40 bis 80 falsch-positiv getesteten Personen pro Woche rechnen. Sofern es sich dabei um Soldatinnen und Soldaten handelt, können sie kurzfristig im Sanitätsversorgungszentrum Hamburg-Mitte einem PCR-Test zur Verifikation unterzogen werden. Zivile Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wenden sich in dem Fall an ihren Hausarzt oder den kassenärztlichen Notruf 116 117.

Drittens treffen wir organisatorische Vorbereitungen für den Aufbau einer Impfstrecke auf dem Campus, so dass sich alle Universitätsmitglieder impfen lassen können, sobald wir Impfstoff bekommen. Offen gestanden rechne ich allerdings nicht mit einer schnellen Lieferung. Sie haben sicherlich gehört, dass gestern auch in Deutschland der AstraZeneca-Impfstoff vorläufig vom Markt genommen wurde, was die Versorgungslage weiter verschlechtert.

Sofern Sie jetzt bereits anderweitig geimpft werden können, zum Beispiel, weil Sie ehrenamtlich in einer Rettungsorganisation in einem Impf- oder Testzentrum arbeiten, sollten Sie die Impfung auch in Anspruch nehmen. Je eher, desto besser! Das gilt auch für Soldatinnen und Soldaten. Diese müssen die Impfung aber bitte umgehend dem Sanitätsversorgungszentrum Hamburg-Mitte melden, damit die Impfung in die Impfkartei eingetragen und einer Bw-eigenen Impfung rechtlich gleichgestellt werden kann. Bei Fragen wenden Sie sich bitte – wie immer – an Ihre Vorgesetzten.

Im Freien entfällt mit der Weisung Nr. 7 die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auf dem Campus außerhalb von Wartebereichen und speziell gekennzeichneten „Maskenzonen“. Freilich darf man die Maske gerne freiwillig tragen. Ich selbst werde vorerst nicht darauf verzichten. Auf den Verkehrsflächen in unseren Gebäuden bleibt es ohnedies bei der Tragepflicht einer medizinischen Mund-Nasen-Bedeckung.

Ferner gilt unverändert: Das Personal auf dem Campus soll unverändert soweit es geht reduziert werden, beruflich bedingte Pendlerbewegungen sollen so weit wie möglich reduziert verringert bleiben.

Alle weiteren Einzelheiten entnehmen Sie bitte der Weisung Nr. 7 zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie, die Sie in unserem Corona- Informations-Portal bei Ilias finden.

Und bitte bleiben Sie gesund. Vielen Dank.