Universitätspräsident Prof. Dr. Klaus Beckmann über die Verschärfung der COVID-19-Lage in Hamburg

HSU

22. Oktober 2020

Über die Folgen für die Universität, die Sonderrechte der Bundeswehr, das Hygienekonzept der Universität, den Studienbeginn und das Ende des Herbsttrimesters.


Die Videobotschaft des Präsidenten vom 22.10.2020 im Volltext

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Studentinnen und Studenten,
liebe Kameradinnen und Kameraden,

am Montag wurde in Hamburg erstmals der Inzidenzwert von 50 Neuerkrankungen je 100.000 Einwohner in den vergangenen 7 Tagen überschritten und Hamburg somit zum Risikogebiet. Zahlreiche Anfragen von Lehrenden und Studierenden zeigen die Unsicherheit, die diese Zahl erzeugt hat.

Was bedeutet das Überschreiten der Inzidenzzahl?

Nun, in erster Linie bedeutet es, dass es in Hamburg – ebenso wie in allen anderen Risikogebieten – wahrscheinlicher geworden ist, sich mit dem Coronavirus zu infizieren.

Und es bedeutet, dass es für die Gesundheitsbehörden schwieriger, wenn nicht sogar bisweilen unmöglich wird, Infektionsketten zu verfolgen und zu unterbrechen.

Was folgen daraus für Konsequenzen für die Universität?

Im Grunde genommen keine, denn für uns ergibt sich daraus keine wesentliche Lageänderung.

Das von uns umgesetzte Hygiene- und Schutzkonzept scheint so tragfähig zu sein, dass sich die landes- und bundesweit gestiegenen Zahlen nicht in der Universität widerspiegeln: Wir haben derzeit ein Universitätsmitglied, das an COVID-19 erkrankt ist. 13 Personen warten auf das Ergebnis ihrer differenzialdiagnostischen Abklärung. Siebzehn Studierende und zwei Mitarbeiter*innen befinden sich in häuslicher Separation, nachdem sie Kontakt zu einer erkrankten Person hatten. 15 Universitätsmitglieder haben die Krankheit überstanden.

Diese Zahlen sind einigermaßen gleichbleibend, worüber ich sehr froh bin. Und ich hoffe, dass dies so bleibt.

Was bedeutet der überschrittene Inzidenzwert für jede*n Einzelne*n?

Wenn Sie die stabil niedrigen Infektionszahlen der HSU mit den steil gestiegenen Zahlen außerhalb vergleichen, müssen Sie zu dem Schluss kommen, dass die Universität ein sehr sicherer Ort ist. Denn aufgrund der hier gültigen Bestimmungen ist die Gefahr, sich zu infizieren, geringer als andernorts.
Wer also nicht muss, sollte den Campus nicht verlassen. Wenn Sie im Homeoffice sind, dann bleiben Sie im Homeoffice.

Was den täglichen Arbeitsweg oder das wöchentliche Pendeln angeht: Die Universität genießt als Dienststelle der Bundeswehr nach Paragraph 54a des Infektionsschutzgesetzes einen Sonderstatus, die sogenannte Eigenvollzugskompetenz. Auf dienstlich veranlassten Bewegungen zwischen Wohnung und Dienststelle finden die Quarantänebestimmungen der Bundesländer keine Anwendung. Um das klarzustellen: Mit Wohnung ist der Wohnsitz, an dem Sie gemeldet sind, gemeint. Die elterliche Wohnung oder das Ferienhaus von Oma zählen nicht dazu. Und mit Dienststelle ist der Ort der Dienstleistung gemeint. Wenn also beispielsweise jemand in Hamburg-Rahlstedt wohnt, dann darf er oder sie selbstverständlich sowohl den Hanseaten-Bereich betreten, um sich dort beim Vorgesetzten zu melden, als auch im Douaumont-Bereich die Bibliothek besuchen.
Sofern er oder sie allerdings hier in Hamburg gemeldet ist, wird ein Besuch bei den Eltern in Cottbus oder Köln nur möglich sein, wenn die Regularien von Brandenburg bzw. Nordrhein-Westfalen dies zulassen.

Und mit „Aufenthalt in einem Risikogebiet“ ist auch nicht der Einkauf im Supermarkt in der Manshardtstraße gemeint, sondern ein mehrtägiger Aufenthalt, bei dem Sie zumindest einmal übernachtet haben.

Eigenvollzugskompetenz bedeutet, dass die Bundeswehr ermächtigt ist, abseits der Verordnungen der Bundesländer eigene Regelungen zu treffen.

Wir werden der geänderten Gesamtsituation in einer neuen Weisung Rechnung tragen, die gerade erarbeitet wird. Meine Absicht ist es, diese neue Weisung zum 2. November in Kraft zu setzen.

Bitte stellen Sie sich darauf ein, dass wir alle einen langen Atem haben müssen. Wir sind nun am Beginn der zweiten Welle, von der viele von uns vermutlich gehofft haben, dass sie nicht kommen wird. Der lange, warme Sommer und die gleichbleibend niedrigen Infektionszahlen haben diesen trügerischen Eindruck vermittelt. Aber nun kommt sie, und es ist noch viel wissenschaftliche Forschung erforderlich, bis pharmazeutische und medizinische Mittel gegen die Pandemie zur Verfügung stehen. Wir sollten uns darauf einstellen, auch noch das kommende Jahr unter Corona-Bedingungen arbeiten und studieren zu müssen. Dafür müssen jetzt Planungen angestellt werden.

Die Frage nach alternativen Prüfungsformen für Studierende in angeordneter Quarantäne stellt sich möglicherweise erneut. Und damit verbunden ist auch der Ausbau hybrider Lehrangebote, die es Studierenden ermöglicht, dem Stoff der Lehrveranstaltungen auch in der häusliche Separation zu folgen.

Die hier getroffenen Hygienemaßnahmen sind wirksam. Und sie werden es weiterhin sein, wenn wir uns alle weiterhin an die Regeln halten: Abstand – Handhygiene – Alltagsmaske. Plus Lüften, plus Corona-Warnapp nutzen.

Gerade den letzten Punkt möchte ich Ihnen allen dringend ans Herz legen: Installieren Sie die Corona-Warnapp auf Ihren Smartphones.

Wenn die Infektionszahlen so steigen, wie Experten es prognostizieren, werden die Gesundheitsämter möglicherweise bald an ihre Grenzen gelangen. Slowenien hat als erstes europäisches Land die Nachverfolgung bereits eingestellt. Und auch erste Behörden in Deutschland klagen über Engpässe.
Wenn dies passiert, kann die Nutzung der App das letzte Instrument sein, dass Ihre Kolleg*innen und Kamerad*innen vor einer Erkrankung schützt.

Dies ist auch von Bedeutung für die gesamte Universität.

Wenn die Überwachungsstelle für öffentlich-rechtliche Aufgaben des Sanitätsdienstes (kurz: ÖRA) erneut die Universität schließt, weil es uns selber nicht gelungen ist, die Ausbreitung des Virus einzudämmen und die Universitätsmitglieder hinlänglich vor Ansteckung zu schützen, ist nicht nur der erfolgreiche Studienstart des Jahrgangs 2020 gefährdet, sondern auch der Studienerfolg aller anderen Jahrgänge.

À propos Studienerfolg: Wir sind dabei, die Folgen des Shutdowns und die Umstellung auf die Online-Lehre zu evaluieren. Ein erster Vergleich von 48 Prüfungen aus dem Frühjahrstrimester 2020 mit vergleichbaren Prüfungen aus dem Frühjahrstrimester 2019 hat meine persönlichen Einschätzungen positiv übertroffen.
Diese Zahlen sind allerdings mit großer Vorsicht zu genießen, weil sie nicht repräsentativ sind. Wir werden die Hochschulöffentlichkeit voraussichtlich im Laufe des Novembers über die Ergebnisse informieren können.

Die Evaluation der Online-Lehre scheint insgesamt eher positiv zu sein. Als besonders vorteilhaft wird von den Studierenden die Möglichkeit bewertet, sich Passagen aus Vorlesungen wiederholt anschauen zu können, sofern diese aufgezeichnet wurden. Und selbst kommentierte Präsentationen, also Powerpoint-Charts mit Audio-Kommentierung, schneiden als Minimallösung gut ab. Lehrende, die allerdings ausschließlich ihr Skript zur Verfügung stellen, schneiden erwartungsgemäß schlecht ab. Nicht nur die Studierenden erwarten hier mehr!

Der Beginn des Studienjahres und die Rückkehr auf den Campus setzen vermutlich neue Impulse für den studentischen Alltag. Und natürlich gehört zum studentischen Leben auch die Geselligkeit in den Wohnheimen, die wir aus offenkundigen Gründen stark einschränken mussten. Ich appelliere an Sie alle, hier Ihrer individuellen Verantwortung für die gesamte Universität nachzukommen. Ich nehme stark an, dass es geheime Planungen für die eine oder andere studentische Feier (aka „Wohnebenenaufnahme“) gibt. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, dann machen Sie es unbedingt so, dass es nicht gegen die geltenden Verordnungen verstößt. Andernfalls kann das nicht nur gesundheitliche, sondern auch dienstrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Und wenn wir schon über akademische Begrüßungsrituale sprechen: Eine Veranstaltung, die mir sehr am Herzen lag, weil sie ursprünglich ein Meilenstein auf dem Weg zurück zu mehr Normalität werden sollte, mussten wir leider gänzlich absagen: Die Immatrikulationsfeier mit Verleihung von Bestpreisen am 22. Oktober hatten wir in einer hybriden Form geplant: Festrede – in diesem Jahr von Staatssekretär Dr. Peter Tauber – und Preisverleihungen auf dem Roten Platz, die Studierenden des Jahrgangs 2020 und die Hochschulöffentlichkeit zu Hause an den Geräten.

Eine Durchführung der Feier zu dieser Zeit wäre das falsche Signal, daher habe ich entschieden, sie abzusagen. Die Preisstifter und Preisträger sowie die geladenen Vertreter der Teilstreitkräfte bitte ich um Verständnis. Und Herrn Staatssekretär Dr. Tauber danke ich für die Flexibilität und seine Bereitschaft, uns seine Botschaft an die neuen Studierenden per Video zu übermitteln; Sie finden dies an anderer Stelle auf unserer Homepage.

Ich fasse noch einmal zusammen: Liebe Neu-Mitglieder der Universität: Bitte akzeptieren Sie die angeordneten Hygienevorschriften. Liebe Alt-Mitglieder: Bitte halten Sie weiter durch und die Hygienemaßnahmen penibel ein.

Bitte schränken Sie Reisetätigkeiten, vor allem Pendlerbewegungen vom und zum Campus, so weit wie möglich ein. Stay at home, flatten the curve. And stay on campus, flatten the curve.

Und dann kommt noch die Weihnachtszeit auf uns zu. Der Universitätsleitung ist sehr wohl bewusst, dass die Weihnachtsfeier ein hohes und schützenswertes Gut ist.  Ich selber habe meine Eltern beim letzten Weihnachtsfest zuletzt persönlich gesehen, und ich würde mich auch freuen, wenn das zu diesem Weihnachtsfest wieder möglich wäre. Was wir tun können, um so etwas unter den entsprechenden Bedingungen zu ermöglichen, werden wir tun. Wir können es aber im Augenblick noch nicht genau sagen. Ich verweise da auf die neue Weisung oder auf Regelungen, die noch später kommen. Mir ist schon klar, dass es ein Problem ist, aus einem Risikogebiet ohne die entsprechende Isolation nach Hause zu fahren. Darüber denken wir gerade ganz intensiv nach.

Bleiben Sie bitte gesund.

Vielen Dank.
Ihr Klaus Beckmann