Projekt E-Estonia

Das Estonian Education Information System (EEIS) und seine Einbettung im digitalen Gesamtsystem des e-estonia (eesti) Estland wird bezüglich der Digitalisierung von Gesellschaft europaweit als Vorreiter beschrieben. Vor rund 20 Jahren vollzog die estnische Regierung einen turn zum e-Government und implementierte sukzessive eine zentralisierte Datenplattform (eesti), auf der sich die Nutzer_innen per digitaler Bürger-ID-Karte einloggen und Daten aus zahlreichen sozialen Bereichen (Sicherheit, Gesundheit, Einwohnermeldewesen, Steuerwesen, Bildung etc.) organisiert werden.

Der Bildungsbereich spielt hierbei eine zentrale Rolle. So speichert und verarbeitet das Estonian Education Information System (EEIS) inzwischen Daten über sämtliche Bildungsinstitutionen, Schüler_innen, Lehrkräfte, Bildungszertifikate, Lernmaterialien und Curricula. Während die Organisation schulischer Prozesse dabei in wachsendem Maße digital erfolgt, wird das System gleichzeitig für Monitoringprozesse genutzt, etwa über die Sammlung von „output and impact indicators to measure school effectiveness [and] the success of graduates in the labor market“ (Lao-Peetersoo 2014). EEIS ist wiederum in einzelne Plattformen und Softwaretools unterteilt, die u.a. den frühkindlichen Bildungsbereich (eliis für Kindergärten und Vorschulen), die Elementar- und Sekundarschulen (e-school) oder den universitären Bereich (DreamApply) umfassen. Im Jahr 2017 waren 85% der Schulen an das e-school-System angeschlossen (Kolb 2017), das neben Schnittstellen zu Lernmanagementsystemen auch dazu dient, ein dichtes Monitoring von Noten, Anwesenheitsinformationen oder Schüler_innenverhalten zu installieren.

Gleichzeitig entspricht e-school einem deutlich sichtbaren Wandel, Eltern stärker in die Pflicht für den Bildungserfolg ihrer Kinder zu nehmen, u.a. über detaillierte Lernanalysen, Echtzeit-Nachrichten oder Einflussnahme auf das Unterrichtsgeschehen (https://e-estonia.com/solutions/education/e-school/). Ähnliche Funktionen, wie das Erstellen von „child development maps“ oder „children profiles with different customizable maps“ (https://eestonia. com/solutions/education/eliis), bietet die Plattform eliis, die inzwischen in 50% der estnischen Kindergärten genutzt wird.

Während sich bislang existierende (Online-) Literatur zum estnischen e-Government vor allem mit seiner Vorreiterfunktion (und dem Hinterherhinken anderer Länder) beschäftigt, so zielt dieses Projekt darauf ab, EEIS und seine Einbettung in eesti im Sinne einer Exploration von Dateninfrastrukturen, gewandelten Akteurskonstellationen und damit einhergehenden Veränderungen der Organisation von Bildung (etwa durch die zunehmende digitale Einbindung bzw. das doing data von Eltern) besser zu verstehen. Eine derartige Analyse dieses weit vorangeschrittenen Systems verspricht nicht nur wichtige Erkenntnisse zu (möglichen) Zukunftsszenarien der digitalen Steuerung von Bildung und Gesellschaft, sondern auch zur kulturell-sozialen Kontextspezifität von Digital Education Governance in Estland.

Im Projekt kooperieren wir mit Prof. Dr. Nelli Piattoeva von der Tampere University, Finnland.

HSU

Letzte Änderung: 6. Oktober 2020