„Die NSU-Monologe“ (2018)

HSU

13. Oktober 2020

NSU MonologIm Mittelpunkt der Veranstaltung stand die Aufführung des dokumentarischen Theaterstücks „NSU-Monologe“ durch die Bühne für Menschenrechte. Das Stück wurde gerahmt von einer Präsentation des Anfang 2018 im Beltz-Verlag erschienen  Sammelbandes „Rassismus und  Rechtsextremismus in Deutschland“ sowie einem Publikumsgespräch, u.a. mit der Hamburger Rechtsanwältin Gül Pinar und dem Historiker Dr. Oliver von Wrochem. Die Veranstaltung wurde von der Professur für interkulturelle und vergleichende Bildungsforschung organisiert und vom Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus Hamburg, der Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften, dem Verein der Freunde und Förderer sowie dem Studierendenbereich der HSU unterstützt.

Der rote Faden, der sich durch die unterschiedlichen Programmteile zog, lag in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Rassismus in Deutschland. Dabei ging es besonders um die Verankerung dieser Tendenzen in der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Auf diese Wirklichkeit wirft der Ende 2011 bekannt gewordene ‚NSU- Komplex‘ ein bestürzendes Schlaglicht. Beim sog. NSU-Komplex geht es um die im November 2011enttarnte rechtsextremistische Terrorgruppe ‚Nationalsozialistischer Untergrund‘ (NSU). Dieser werden eine Serie schwerer Gewaltverbrechen zur Last gelegt, die die Öffentlichkeit in Deutschland erschüttert haben: vor allem die Ermordung von neun Männern mit Migrationsgeschichte und einer Polizistin in den Jahren 2000 bis 2007 sowie drei schwere Sprengstoffanschläge und 15 Raubüberfälle.

Das Theaterstück NSU-Monologe der Bühne für Menschenrechte basiert auf Interviews mit Angehörigen der Ermordeten des NSU. Es schilderte wortgetreu die Erfahrungen der Hinterbliebenen im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen, ging auf ihre Perspektiven auf den NSU-Komplex sowie ihre Versuche ein, die eigenen Erinnerungen an den geliebten Menschen gegen die vermeintliche Wahrheit der Behörden zu verteidigen.

Die dokumentarische Aufführung führte vor allem den institutionellen und strukturellen Rassismus vor Augen, der in den polizeilichen Ermittlungen, parlamentarischen Untersuchungsausschüssen sowie im Münchener Gerichtsprozess gegen Beate Zschäpe und Unterstützer_innen erkennbar war. Deutlich wurde, dass die Verharmlosung von Rassismus und eines rechten Bedrohungspotentials – als Grund für die fehlgeschlagenen Ermittlungen, während die Opfer selbst und ihre Angehörigen jahrelang verdächtigt, überwacht und kriminalisiert wurden – auch daraus resultierte, dass die entsprechenden Haltungen in den Institutionen zu strukturprägenden Merkmalen geworden sind.

An das Stück schloss eine Diskussion mit Gül Pinar, Oliver von Wrochem und Mechtild Gomolla an, die von Ellen Kollender moderiert wurde. Gül Pinar ist Rechtsanwältin und begleitete als Strafverteidigerin die juristische Aufarbeitung der NSU-Mordserie am Münchner Oberlandesgericht. Im Prozess vertrat sie Familinmitglieder von Süleyman Taşköprü, der am 27. Juni 2001 in der Schützenstraße im Stadtteil Hamburg-Bahrenfeld vom NSU ermordet wurde. Dr. Oliver von Wrochem ist Historiker und Leiter des Studienzentrums der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers in Hamburg-Neuengamme. Im Gespräch wurde vor allem der Dimension des institutionellen Rassismus näher nachgegangen sowie der Frage nach institutionellen und individuellen Handlungsmöglichkeiten und -notwendigkeiten, um Rechtsextremismus und Rassismus in der ‚Mitte‘ Gesellschaft und staatlichen Institutionen zu begegnen.

Die Diskussion kann hier in voller Länge angesehen werden (53 Minuten):

Der auf der Veranstaltung ebenfalls vorgestellte Sammelband „Rassismus undBild Rechtsextremismus in Deutschland. Figurationen und Interventionen in Gesellschaft und staatlichen Institutionen“ (Hrsg.: Mechtild Gomolla, Ellen Kollender, Marlene Menk) untersucht Facetten von Rassismus und Rechtsextremismus in ihren historischen Kontinuitäten und gegenwärtigen Ausprägungen im Kontext von Globalisierung, aktueller Fluchtmigration, der Herausbildung neuer rechter Bewegungen sowie der Aufarbeitung der NSU-Morde.

Der Sammelband ist aus zwei öffentlichen Ringvorlesungen hervorgegangen, die an der HSU in den Jahren 2013 und 2015 stattgefunden haben. Zentrale Beiträge aus den Ringvorlesungen wurden zu Artikeln ausgearbeitet und durch weitere Beiträge ergänzt. Einen Schwerpunkt bildet die Frage nach der Verwurzelung rechtsextremer, rassistischer und anderer menschen(rechts) verachtender Orientierungs- und Handlungsmuster, Strukturen und Gewaltformen in staatlichen Institutionen. Ebenso wird nach geeigneten Konzepten gefragt, um in Gesellschaft und Institutionen Rechtsextremismus und Rassismus zu durchbrechen.

Neben Beiträgen u.a. von Micha Brumlik, Wolfgang Gessenharter, Iman Attia, Oliver von Wrochem und Astrid Messerschmidt beinhaltet die Publikation zudem ein Interview mit den NSU-Nebenklagevertreter_innen Seda Başay-Yıldız und Carsten Ilius sowie ein Interview mit der Ausschwitz-Überlebenden und Sängerin Esther Bejarano und dem Rapper und Sozialarbeiter Kutlu Yurtseven. 

Weitere Informationen zum Inhalt des Sammelbandes finden Sie hier.

Zur Homepage der von uns unterstützten Hamburger Initiativen zur Aufklärung des Mordes an Süleyman Taşköprü gelangen sie über diesen Link.