Steuerung von virtuellen Kraftwerken mit technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekten

(Teilprojekt von: EnERgioN – Erneuerbare Energien in der Region Nord)

Projekthintergrund

Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in Deutschland wird in Zukunft weiter zunehmen, insbesondere im  Rahmen der von der Bundesregierung beschlossenen Energiewende. Eine Herausforderung ist die zunehmende Systemkomplexität bei einer immer dezentraleren Erzeugung elektrischer Energie und die damit einhergehende Abstimmung auf Verbraucher und notwendige Speicher. In virtuellen Kraftwerken erfolgt eine leittechnische Verbindung zwischen diesen Akteuren und ermöglicht dadurch die Hebung neuer Potentiale sowie die Optimierung des Gesamtsystems.

Integration technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Aspekte in ein umfangreiches Berechnungs-Tool in Matlab

Zur Erarbeitung technisch sinnvoller Lösungen arbeiteten die Forscher eng mit der wirtschaftswissenschaftlichen sowie juristischen Fakultät der Leuphana Universität Lüneburg zusammen. Somit konnten Lösungen direkt auf ihre betriebs- und volkswirtschaftliche Eignung bewertet und auf rechtliche Rahmenbedingungen hin überprüft werden. Die Ergebnisse der drei Disziplinen flossen schließlich in die Erstellung eines gemeinsamen Berechnungs-Tools sowie eines Demonstrationsobjekts ein. Das Berechnungs-Tool kann für diverse wissenschaftliche Untersuchungen eingesetzt werden und verfügt über eine ausgeprägte Datenbank an Erzeugungs- und Speichermodellen, Wetter- sowie Standortdaten in ganz Deutschland.

Mit dem vielseitig einsetzbaren Tool sind sowohl abstrahierte Netzberechnungen als auch die Abschätzung von Einspeiseleistungen aller erfassten Erneuerbaren Energieanlagen in ganz Deutschland möglich. Für Windkraftanlagen wurden verschiedene Kennlinien hinterlegt um den unterschiedlichen Einspeisecharakteristika von Stark- und Schwachwindanlagen gerecht zu werden. Photovoltaikanlagen können um Speicherkomponenten erweitert werden und somit Szenarien für eine autarke Versorgung einzelner Verbraucher zu realisieren. Wirtschaftliche Kenndaten zu Einspeisevergütungen sowie Betriebskosten unterstützen die finanzielle Bewertung von Anlagen. Eine juristische Bewertung betrachteter Szenarien erfolgt über sogenannte Entscheidungsbäume.

Auswirkungen des Einspeisemanagements auf den Betrieb von Windenergieanlagen – Potentiale für Speicher?

Die Bewertung des Zubaus von Onshore-Windenergieanlagen im Raum Norddeutschland war einer der Untersuchungsgegenstände des Projekts. Der Zubau führt zu einer Häufung von Netzengpässen, in deren Folge die Leistung der Anlagen durch Einspeisemanagement-maßnahmen (EinsM) reduziert werden muss. Die Umfänge der Eingriffe sind seit 2009 stark gestiegen und von weiteren Zunahmen ist auszugehen. Werden Speicher zur Nutzung der abgeregelten Energie an den Anlagen betrieben, lässt sich je nach Standort, Anlagentyp und Technologie ein signifikanter Teil der abgeregelten Energie nutzen.

Umspannwerk
Menge Verlustarbeit [MWh]
Anteil in [%]
Marne West
197,590
17,52 %
Reinsbuettel
127,766
11,33 %
Perleberg
79,090
7,01 %
Niebuell
68,705
6,09 %
Lindewitt
65,009
5,76 %
Breklum
64,896
5,75 %

 

Abbildung 1

 

Es wurde eine Methodik erarbeitet, mit der für unterschiedliche Konfigurationen und Einspeisemanagement-Vorgänge eine optimale Dimensionierung der Speicherleistung sowie Energie erzielt werden kann. Die Berechnungen ergaben, dass Kurzzeitspeicher trotz der häufig sehr kurzen EinsM-Einsätze aufgrund der hohen Kosten nicht wirtschaftlich darzustellen sind. Je nach Standort konnten bis  45 % der Errichtungskosten für den Speicher generiert werden. Sofern sich die EinsM-Umfänge um den Faktor 2 bis 3 erhöhen, sind Speicher an dieser Art von Standort also bereits bei heutigen Preisen wirtschaftlich attraktiv.

Realisierung eines Demonstrators zur anschaulichen Darstellung von virtuellen Kraftwerken

Um die Erkenntnisse des Projekts allen Disziplinen und fachfremdem Publikum zugänglich zu machen, wurde ein Demonstrator für die interdisziplinäre Bewertung von virtuellen Kraftwerken entwickelt. Das System besteht aus 5 modularen Erzeugungs-, Speicher- und Verbrauchseinheiten, die über ein Kommunikationsnetzwerk miteinander verbunden sind. Sie dienen der anschaulichen Darstellung einzelner Module des virtuellen Kraftwerks.

Abbildung 2Bei der zentralen Steuereinheit handelt es sich um ein prozessbasiertes Echtzeitsystem, welches durch manuelle Bedienung an die jeweiligen Anforderungen individuell angepasst werden kann. Gleichzeitig ermöglicht es dem Benutzer, eine Rückmeldung über die vorgenommenen Handlungen und Veränderungen in Echtzeit zu bekommen.

Danksagung

Dieses Forschungsprojekt war Teil des EU-Großprojekts „Innovations-Inkubator“.

EU-Logo

Ansprechpartner:

Prof. Dr.-Ing. habil. Detlef Schulz (Teilprojektleiter)
Fakultät für Elektrotechnik
Elektrische Energiesysteme

HSU

Letzte Änderung: 30. April 2021