EHA-Studie

Quasi-experimentelle Untersuchung zum Zusammenhang von Hochsensibilität und Aufmerksamkeit

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Münscher
J

Die Phase der Datenerhebung ist abgeschlossen. Wir danken allen Teilnehmern herzlichst für Ihren Einsatz! Wenn Sie sich weiterhin wissenschaftlich für das Thema „Hochsensibilität“ engagieren möchten, schauen Sie doch auf den Seiten des IFHS. e.V. unter „www.hochsensibel.org“ vorbei.

Die EHA-Studie ist ein Kooperationsprojekt von M.Sc. Marcus Bürger und Mag. Johann-Christoph Münscher. Wir sind wissenschaftliche Mitarbeiter (Doktoranden) der Professur für Psychologische Diagnostik und Persönlichkeitspsychologie.


  • Die interne Ethikkomission der Helmut-Schmidt-Universität hat die Erhebung gesichtet und die Durchführung bestätigt.
  • Die EHA-Studie wird in Teilen durch den Freunde und Förderer der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg e.V. durch finanzielle Mittel gefördert. Wir bedanken uns ausdrücklich für diese Unterstützung.
  • Marcus Bürger (M.Sc.) wurde durch ein Nanostipendium des Informations- und Forschungsverbundes Hochsensibilität e.V. gefördert (Informationen zu diesem Verbund finden Sie unter www.hochsensibel.org)
  • Die Studie umfasst eine Untersuchung vor Ort sowie eine Erhebung mittels Smartphone. Informationen zum mobilen Teil des Projektes finden Sie HIER.
  • Die in der Laboruntersuchung eingesetzten Bedienelemente wurden an der Professur für Persönlichkeitspsychologie entworfen und in Zusammenarbeit mit der Zentralen Werkstatt entwickelt und konstruiert.
  • Weiterführende Informationen zum Datenschutz und Hygienekonzept finden Sie am Ende dieser Seite.

Es werden im Folgenden zwei verschiedene Forschungsstränge als Ursprünge der gemeinsamen Forschungsambitionen beleuchtet.

  1. Hochsensibilität als psychologisches Konstrukt zur Beschreibung interindividueller Unterschiede der Wahrnehmung und Verarbeitung von Umweltreizen.
  2. Die Entwicklung und Erprobung einer innovativen Messmethode zur kontinuierlichen Aufmerksamkeitsmessung.

Hochsensibilität (sensory-processing sensitivity) als Konstrukt zur Beschreibung interindividueller Unterschiede in der Umweltsensitivität (environmental sensitivity)

Alle Menschen leben in einer Umwelt (Mitwelt), die je nach psychischer Konstitution und Situation unterschiedlich intensiv erlebt und verarbeitet werden kann. Anders formuliert, es bestehen interindividuelle Unterschiede in der Resonanz auf Umweltreize. Hochsensible Personen neigen dazu, (i) kleine Veränderungen oder Unterschiede (Subtilitäten) in ihrer Umwelt wahrzunehmen und dabei (ii) stärker emotional involviert zu reagieren als weniger hochsensible Lebewesen. Sie empfinden viel Empathie gegenüber anderen Lebewesen. (iii) Ihre Verarbeitung von Umweltinformationen erfolgt besonders tief, also häufig verbunden mit der Suche nach Bedeutung und Selbstbezug. (iv) Begleitet werden diese interindividuellen Unterschiede von einer Neigung zur (physiologischen) Übererregung und Übererregbarkeit (Homberg et al., 2016).

Drei Theorien, die übergeordnet als Umweltsensitivitätstheorien bezeichnet werden, beschreiben dieses Phänomen mit jeweils disziplinbezogenem Fokus (Differential Susceptibility (DS), Biological Sensitivity to Context (BSC) & Sensory-Processing Sensitivity (SPS)). Für einen umfangreichen Überblick siehe bitte Greven et al. (2019). Worin alle Theorien übereinstimmen, ist die Annahme der besonderen Reagibilität auf positive und negative Umweltreize, sowie einer Prävalenz in der Bevölkerung von 20 bis 30 %. SPS definiert als einzige Theorie 4 Kernaspekte, die unter anderem auf Verhaltensebene operationalisierbar sind und von Aron & Aron (1997) initial beschrieben wurden (s.o.).

Es gibt zahlreiche Informationsquellen und diverse Beratungsangebote zu Hochsensibilität (beispielsweise, Aron (2016)). Die empirische Forschung hat jedoch noch nicht angemessen viele systematische Beobachtungen gemacht, die eine fundiertes, hochsensibilitätsspezifisches Versorgungsangebot respektive Beratungsangebot jenseits bereits bekannter, allgemeingültiger und wirksamer Interventionsangebote ermöglicht. Anliegen dieser Studie ist es, eine belastbare, grundlagenwissenschaftliche Basis für angewandte Hilfeangebote für hochsensible Personen und ihre spezifischen Anpassungsschwierigkeiten zu liefern. Zudem sollen die Ressourcen von hochsensiblen Menschen besser verstanden und dadurch deren potenzialentfaltende (berufliche) Platzierung befördert werden (Wyrsch et al., 2020).

Aufgrund der vielen möglichen wissenschaftlichen Ansatzpunkte eines relativ unerforschten Konstruktes gilt es, eine Auswahl hinsichtlich der interessierenden Teilaspekte, unter Berücksichtigung seiner methodischen Zugänglichkeit, zu treffen. Die Autoren und Studienleiter betrachten zwei Kernaspekte als besonders fruchtbar und markant für hochsensible Erfahrungswelten. Tiefenverarbeitung (depth of processing – DOP) und die angenommen erhöhte Veranlagung zur Übererregbarkeit.

Deshalb verfolgt dieser Studienteil zwei Kernziele:

  1. Ein empirischer, laborexperimenteller Hinweis auf die Tiefenverarbeitung von Hochsensiblen mit Hilfe des klassischen Stroop Paradigmas. Angenommen wird ein bedeutsamer Reaktionszeitzuwachs in der inkongruenten Bedingung. Die Interpretation erfolgt analog zu Effekten von „forced reading“ gemäß Eidels et al. (2014).
  2. Die Charakterisierung hochsensibler, physiologischer Erregungsverläufe (operationalisiert durch die Herzratenvariabilität), hochsensibler Aufmerksamkeitsverläufe und deren Zusammenspiel während der Bearbeitung von Reaktionszeitaufgaben (Delliaux et al., 2019).
    Realisiert wird dies durch die Betrachtung von Gruppenunterschieden zwischen Hochsensiblen und weniger hochsensiblen Menschen im Verlauf des Untersuchungsgangs von ungefähr 1,25 Stunden.

Zu (1): Können die erwarteten Gruppenunterschiede in der inkongruenten Bedingung gezeigt werden, so ließe sich erstmalig in einem Verhaltensexperiment ein Hinweis auf Tiefenverarbeitung bei Hochsensiblen zeigen. Laborbedingungen unterscheiden sich durch die unnatürliche, kontrollierte Reizisolation von natürlichen, komplexen Alltagsbedingungen. Im letztgenannten Alltagskontext konnte bereits qualitativ reichhaltig beschrieben werden, worin die Tiefenverarbeitung der Hochsensiblen (Bedeutungssuche und Selbstbezug) Ausdruck findet. Erste Hinweise zur Nutzbarkeit von Verhaltensexperimenten zur Abbildung von Tiefenverarbeitung würden eine allgemeine Untersuchbarkeit des Phänomens bedeuten und weitere Forschung anregen. Kann Tiefenverarbeitung beeinflusst werden (?) und welche Einflussfaktoren sind wirksam?

Zu (2): Es ließe sich zeigen, ob hochsensible Personen tatsächlich eine quantifizierbar höhere, initiale Erregung aufweisen, schneller bei Beanspruchung durch Leistungsanforderungen erregt werden und letztlich auch langsamer wieder in einen Erregungsausgangszustand zurückkehren können. Zudem kann hier auch der Zusammenhang zum Leistungsverhalten (hier: Aufmerksamkeitsleistung) sichtbar gemacht werden.

Entwicklung und Erprobung einer innovativen Messmethode zur kontinuierlichen Aufmerksamkeitsmessung

Labor

Im Rahmen eines Projektes zur Entwicklung praxisnaher Methoden zur Messung von Aufmerksamkeit wurden verschiedene Aufgabentypen entwickelt. Ausgangspunkt war das Bestreben, realitätsnahe Messmethoden für Anwendungen im beruflichen Kontext zu entwickeln. Da viele aktuelle Aufmerksamkeitstests abstrakte Items und Stimulusmaterial einsetzen, sollten Aufgaben- und Itemtypen mit Realitätsbezug entwickelt werden (Warm et al., 2008). Von den entwickelten Aufgaben wird der vorläufig als „kontinuierliche Anpassung“ (engl.: continuous matching task – CMT) bezeichnete Aufgabentyp vorgestellt. Dies ermöglicht neue Ansätze und Möglichkeiten in Bezug auf Durchführung und Auswertung. Die implementierte, computerisierte, kontinuierliche Leistungsmessung erlaubt eine Messung mit sehr hoher zeitlicher Auflösung, was eine detaillierte Auswertung des Leistungsverlaufes möglich macht. Das Stimulusmaterial ist bis auf die Instruktion sprachfrei, leicht verständlich, kognitiv wenig anspruchsvoll und kann mit anderen Aufgaben und Items kombiniert werden, was eine Messung geteilter Aufmerksamkeit ermöglicht (Hirsch et al., 2018). Ebenfalls neuartig ist die adaptive Umsetzung, bei der Stimulusmaterial in Echtzeit, basierend auf dem individuellen Leistungsniveau, generiert wird. Dies ermöglicht eine potentiell unbegrenzte Messdauer, sowie mehrere Messwiederholungen (Weiss, 1982).

Die Testung erfolgt unter Verwendung eigens entwickelter Hard- und Software, die es erlaubt, eine Vielzahl von Merkmalen zu operationalisieren. Die Messdaten sind vielfältig auswertbar und eine Reihe von Verrechnungsmodi und Interpretationsoptionen werden ausgewertet und vorgestellt. Neben weiteren Maßen für Aufmerksamkeit und Persönlichkeitseigenschaften werden physiologische Parameter erhoben und ausgewertet (Delliaux et al., 2019). Basierend auf den Ergebnissen der Pilotstudie werden Interpretationsmöglichkeiten, Limitationen, erste Indikatoren zur Validität, sowie eine theoretische Einordnung in Modelle der Aufmerksamkeit und Implikationen für praktische Anwendungen präsentiert.

Die beschriebenen Methoden werden einerseits in einer Laboruntersuchung, andererseits in einer mobilen Anwendung umgesetzt. Dieses Vorgehen verfolgt zwei Ziele. Einerseits wird so eine weitere Möglichkeit der Datenerhebung genutzt, da die Ergebnisse aus beiden Anwendungen kombiniert werden. Da das Material in der mobilen Anwendung teilweise identisch mit der Laboruntersuchung ist, wird andererseits auch der Einfluss der Untersuchungsumgebung bzw. des Messmodus möglich. Gerade in der letzten Zeit, insbesondere während der aktuellen Pandemiesituation, birgt das Testen außerhalb des Labors unter Nutzung des eigenen Endgerätes viel Potential und sollte beleuchtet werden (Holmlund et al., 2019).

 

Materialien

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Die Dateschutzfolgeabklärung der Labortestung.
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Die Dateschutzfolgeabklärung der mobilen Testung.
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EHA-Studie Einverständniserklärung der Labortestung
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Das Hygienekonzept zur Durchführung der Untersuchung in den Räumlichkeiten der Professur.

Literatur:

  • Aron, E. N. (2016). The highly sensitive person: how to thrive when the world overwhelms you. Harmony Books.Aron, E. N., & Aron, A. (1997). Sensory-processing sensitivity and its relation to introversion and emotionality. Journal of Personality and Social Psychology, 73(2), 345–368. https://doi.org/10.1037/0022-3514.73.2.345
  • Delliaux, S., Delaforge, A., Deharo, J.-C., & Chaumet, G. (2019). Mental Workload Alters Heart Rate Variability, LoweringNon-linear Dynamics. Frontiers in Physiology, 10. https://doi.org/10.3389/fphys.2019.00565
  • Eidels, A., Ryan, K., Williams, P., & Algom, D. (2014). Depth of processing in the stroop task: Evidence from a novel forced-reading condition. Experimental Psychology, 61(5), 385–393. https://doi.org/10.1027/1618-3169/a000259
  • Greven, C. U., Lionetti, F., Booth, C., Aron, E. N., Fox, E., Schendan, H. E., Pluess, M., Bruining, H., Acevedo, B., Bijttebier, P., & Homberg, J. (2019). Sensory Processing Sensitivity in thecontext of Environmental Sensitivity: A critical review and development of research agenda. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, 98, 287–305. https://doi.org/10.1016/j.neubiorev.2019.01.009
  • Hirsch, P., Nolden, S., Declerck, M., & Koch, I. (2018). Common cognitive control processes underlying performance in task-switching and dual-task contexts. Advances in Cognitive Psychology, 14(3), 62–74. https://doi.org/10.5709/acp-0239-y
  • Holmlund, T. B., Foltz, P. W., Cohen, A. S., Johansen, H. D., Sigurdsen, R., Fugelli, P., Bergsager, D., Cheng, J., Bernstein, J., Rosenfeld, E., & Elvevåg, B. (2019). Moving psychological assessment out of the controlled laboratory setting: Practical challenges. Psychological Assessment, 31(3), 292–303. https://doi.org/10.1037/pas0000647
  • Homberg, J. R., Schubert, D., Asan, E., & Aron, E. N. (2016). Sensory processing sensitivity and serotonin gene variance: Insights into mechanisms shaping environmental sensitivity. In Neuroscience and Biobehavioral Reviews(Vol. 71, pp. 472–483). Elsevier Ltd. https://doi.org/10.1016/j.neubiorev.2016.09.029
  • Warm, J. S., Matthews, G., & Finomore, V. (2008). Vigilance, workload, and stress. In Performance under stress(pp. 115–141).Weiss, D. J. (1982). Improving measurement quality and efficiency with adaptive testing. Applied Psychological Measurement, 6(4), 473–492. https://doi.org/10.1177/014662168200600408
  • Wyrsch, P. C., de Groote, J. K., & Hack, A. (2020). Hoch (neuro) sensitive Mitarbeitende: Weicheier oder Wunderkinder?. 
HSU

Letzte Änderung: 8. Dezember 2021