Im Rahmen dieses Projekts soll eine Monographie „Die Rückkehr des Handelsstaates. Deutsche Außenpolitik in der multipolaren Welt“ entstehen. Das Projekt knüpft an die empirische Beobachtung an, dass bei wichtigen außenpolitischen Entscheidungen (z.B. Europapolitik in der Euro-Krise, strategische Partnerschaften mit China und Russland, Liberalisierung der Rüstungsexportpolitik als Folge der „Merkel-Doktrin“) wirtschaftliche Interessen ausschlaggebend gewesen sind. Dieser Befund kontrastiert mit der in der deutschen Politikwissenschaft vielfach vertretenen analytischen Einordnung der Bundesrepublik als einer normorientierten Zivilmacht, korrespondiert aber mit zahlreichen kritischen Rückfragen an die Grundorientierung deutscher Außenpolitik sowohl in der internationalen Community als auch in der deutschen Publizistik.
Festzuhalten ist, dass die theoriegeleitete (auch internationale) Debatte über das außenpolitische Rollenverständnis der Bundesrepublik und die Reichweite möglicher Veränderungen vor allem in den 1990er Jahren (als Folge der Vereinigung) stattfand; eine kurzlebige Kontroverse sich noch einmal am „Nein“ der rot-grünen Koalition zum Irak-Krieg entzündete. Auch politisch gefördert, setzte sich vor allem unter dieser Regierung die Selbstbezeichnung Deutschlands als Zivilmacht durch. Seitdem ist die wissenschaftliche Kontroverse über das Thema erlahmt, sind aber auch generell Forschungsarbeiten zur Außenpolitik Deutschlands zurückgegangen. Unstrittig ist, dass die Wirklichkeit deutscher Außenpolitik mit Großmachtkonzepten nicht erklärt werden kann. Dagegen steht eine Antwort auf die Frage, ob sich Deutschland vorrangig aus normativer Verpflichtung für die Zivilisierung der internationalen Beziehungen einsetzt (Zivilmacht) oder ob ein verrechtlichtes, verregeltes, befriedetes und multilateralisiertes – also insgesamt „zivilisiertes“ – Umfeld nicht vielmehr dem primären Zweck dient, das Ziel der Wohlstandsmehrung bzw. Wohlfahrtsoptimierung zu verfolgen (Handelsstaat), bisher noch aus.
An dieser Stelle setzt das Projekt „Die Rückkehr des Handelsstaates. Deutsche Außenpolitik in einer multipolaren Welt“ an. Mit diesem Forschungsvorhaben soll die Frage nach der Grundorientierung deutscher Außenpolitik in einer sich dynamisch und grundlegend verändernden internationalen Umwelt anhand verschiedener Fallstudien neu und aktuell beantwortet werden. Theoretisch nimmt die Arbeit das von Richard Rosecrance entwickelte und von Michael Staack erstmals auf Deutschland angewendete Konzept des Handelsstaates („Handelsstaat Deutschland“ 2000) wieder auf.
Letzte Änderung: 14. November 2017