Ab initio – Modellierung thermophysikalischer Eigenschaften von Fluiden

(Dr. rer. nat. Robert Hellmann)

Thermophysikalische Eigenschaften von Fluiden können heutzutage sehr genau rein theoretisch (ab initio) ermittelt werden. Dafür werden Paarpotentiale, die die Wechselwirkungsenergien zwischen zwei Molekülen als Funktion ihres Abstandes und ihrer gegenseitigen Orientierung beschreiben, benötigt. Für Berechnungen an dichten Gasen und Flüssigkeiten müssen auch sogenannte nichtadditive Dreikörperwechselwirkungen berücksichtigt werden. Wechselwirkungsenergien werden in der Arbeitsgruppe mittels des Supermolekülansatzes unter Verwendung gängiger quantenchemischer Programmpakete wie z.B. CFOUR oder ORCA bestimmt. Derartige Berechnungen müssen für sehr viele Teilchenabstände und Orientierungen durchgeführt werden, um eine möglichst vollständige Beschreibung der zwischenmolekularen Wechselwirkung zu erhalten.

An die berechneten Wechselwirkungsenergien werden im nächsten Schritt geeignete mathematische Funktionen angepasst. Mit diesen Potentialfunktionen können dann beispielsweise zweite, dritte und höhere Virialkoeffizienten mittels der statistischen Thermodynamik bestimmt werden. Transporteigenschaften in verdünnten Gasen und Gasgemischen sind aus den Paarpotentialen mit Hilfe der kinetischen Gastheorie zugänglich, wobei die hierfür entwickelten Computercodes und das dazugehörige Wissen in der Arbeitsgruppe weltweit einmalig sind. In Zukunft sollen auch molekulardynamische Simulationen und Monte-Carlo-Simulationen durchgeführt werden. In solchen Simulationen werden heutzutage immer noch fast ausschließlich empirische Potentialfunktionen verwendet, wodurch die erreichbare Genauigkeit erheblich einschränkt wird.

Wenn immer möglich, werden die berechneten Werte der thermophysikalischen Eigenschaften mit eigenen experimentellen Messergebnissen und/oder experimentellen Daten aus der Literatur verglichen, um dadurch eine gegenseitige Überprüfung von Theorie und Experiment zu ermöglichen. Ein großer Vorteil der ab initio-Modellierung gegenüber Experimenten ist, dass eine hohe Genauigkeit auch bei sehr tiefen und sehr hohen Temperaturen sowie für giftige, korrosive und explosive Stoffe und Stoffgemische erzielt werden kann. Der experimentelle Aufwand ist in solchen Fällen oft unvertretbar hoch.

Für die theoretischen Arbeiten betreibt die Arbeitsgruppe mehrere leistungsstarke Rechenserver. Zudem wird der High-Performance-Computing-Cluster der Fakultät für Maschinenbau für einen Teil der Berechnungen genutzt.

HSU

Letzte Änderung: 10. März 2022