Archivalische und administrative Praxis im frühneuzeitlichen Militär: Der Nachlass des hannoverschen Generalkriegskommissars Thomas Eberhard von Ilten (1685-1758)

Im Rahmen des Forschungsvorhabens wird der Nachlass des kurhannoverschen Offiziers, Beamten und Generalkriegskommissars Thomas Eberhard von Ilten erschlossen. Auf Grundlage seiner Grundlage sollen außerdem in einer mikrogeschichtlicher Perspektive die archivalische und administrative Praxis im frühneuzeitlichen Militär untersucht werden. Der Nachlass befindet sich in der Handschriftenabteilung der Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Bibliothek in Hannover (GWLB). Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einer 54-bändigen Sammlung von Kriegskommissariat und Landt-Sachen, die von einer annähernd 1000 Seiten umfassenden Geschichte des hannoverschen Militärs bis zum Jahr 1738 eingeleitet und strukturiert wird. Für die Erforschung von Militär, Verwaltung und vormoderner Staatlichkeit, sowie die niedersächsische Landesgeschichte besitzt der Nachlass höchsten Quellenwert. Neben Akten zur Militärverwaltung finden sich in der Sammlung unter anderem Auszüge aus seiner Korrespondenz, Unterlagen zur Gutsverwaltung und Gelegenheitsschriften anderer Autoren, wie zum Beispiel die Memoiren des späteren hannoverschen Generalleutnants Alexander von der Schulenburg (1662-1733) aus den Großen Türkenkrieg, eine Abschrift des Tagebuchs des hannoverschen Fähnrichs Dietrich Joachim Zehe (1655-1727), ebenfalls aus dem Großen Türkenkrieg sowie dessen Lebenserinnerungen und eine Denkschrift des hannoverschen Artillerieobersten Johann Jacob von Brückmann (1680-1750) mit Verbesserungsvorschlägen für die hannoversche Armee von 1740. In einem ersten Schritt wird der Nachlass Thomas Eberhard von Iltens durch die GWLB katalogisiert und im Rahmen einer Tiefenerschließung über Kalliope zugänglich gemacht. Dies umfasst auch die achtbändige Korrespondenz des Vaters Jobst Hermman von Ilten (1649-1730, hannoverscher Diplomat und Direktor der Kriegskanzlei), das dreibändige Tagebuch des Bruders Ernst August von Ilten (1683-1740, hannoverscher Hofrichter) und drei Bände mit Korrespondenz des Bruders Johann Georg von Ilten (1688-1749, hannoverscher General-Leutnant). Eine Online Edition der Geschichte soll perspektivisch zusätzliche Möglichkeiten der Erschließung des Nachlasses eröffnen.

Aus militär- und verwaltungsgeschichtlicher Sicht ist Iltens Geschichte des hannoverschen Militärs  in dreierlei Hinsicht von besonderer Bedeutung: Erstens ermöglicht die relativ dichte Überlieferung von Akten der Militärverwaltung in der Sammlung von Iltens, einen Einblick in das administrative Handeln der Akteure des hannoverschen Militärs und der Kriegsverwaltung. In der Zusammenschau von Akten und historischem Narrativ kann die Logik frühneuzeitlichen Verwaltungshandelns praxeologisch nachvollzogen werden. Damit tritt das konkrete Handeln der Akteure in den Vordergrund und kann in seiner Eigenlogik erfasst werden, anstatt es von seinen normativen und institutionellen Rahmenbedingungen her zu deuten. Zweitens wird in Iltens Geschichte die enge Verflechtung zwischen frühneuzeitlichem Militär und Staatlichkeit deutlich. Dies erlaubt es, sich von der in der Literatur vorherrschenden Vorstellung von der Dichotonomie von Militär und Gesellschaft zu lösen und stattdessen die Hybridität frühneuzeitlicher Staatlichkeit genauer zu erfassen. Für die Militärgeschichte schließlich erlaubt Iltens Geschichte des hannoverschen Militär, die oft dominante Sichtweise des kommandierenden Offiziers im Feld und die damit einher gehende Verengung auf militärische Operationen zu überwinden. Stattdessen rückt nun durch den Blick des Militäradministrators die oft vernachlässigte Rolle militärischer Verwaltung, Logistik und Infrastrukturen in Kriegen der Frühen Neuzeit sowie deren materiellen Grundlagen stärker in den Fokus.

HSU

Letzte Änderung: 28. Januar 2021