Administration, Logistik und Infrastrukturen des Krieges in der Frühen Neuzeit

Die Organisation und die Praktiken des frühneuzeitlichen Militärs sind bis heute allenfalls Randgegenstände der Frühneuzeitforschung geblieben. Zwar wurde seit dem 19. Jahrhundert die Verschränkung von frühneuzeitlicher Staatsbildung und Militärverwaltung vielfach betont. Otto Hinzes These, dass die sich in der Vormoderne ausbildenden Behördenstrukturen entweder unmittelbar militärischen Zwecken dienten oder der staatlichen Machtpolitik doch wenigstens verpflichtet waren, führte gleichwohl nicht dazu, dass sich an dieser Stelle ein eigenständiges Untersuchungsfeld ausgebildet hätte. Weder spielt die militärische Administration in der neueren Verwaltungsgeschichte der Frühen Neuzeit eine besondere Rolle, noch beschäftigen sich die gegenwärtigen Arbeiten zum Verkehrswesen bzw. zur Entwicklung der kommunikativen (Infra-)Strukturen zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert dezidiert mit Fragen nach kriegs- oder militärhistorischen Korrelationen. Selbst in der Militärgeschichte, zumal in der jüngeren, sozial- und kulturgeschichtlich ausgerichteten, findet man in der Regel lediglich Teilaspekte der Verzahnungen zwischen der Herausbildung der Stehenden Heere und Flotten in der Frühen Neuzeit und Staatsbildungsprozessen behandelt. Und weil die Forschung, sofern sie sich überhaupt mit frühneuzeitlicher Militärverwaltung beschäftigte, üblicherweise deren Organisation und Praktiken in Friedenszeiten betrachtete, gehören die auf die Kriegsführung bezogenen Bereiche der Logistik und Infrastrukturen zu den größten Forschungsdesideraten.

An diese Debatte knüpft das Projekte Administration, Logistik und Infrastrukturen des Krieges in der Frühen Neuzeit an. Neben den Fragen nach Alternativen zu der nach wie vor recht traditionell gedachten Relation von Militär und ‚Staat‘ bzw. der heuristischen Reichweite der üblichen Distinktion von Militär und ‚Zivilgesellschaft‘ in der Frühen Neuzeit, ist beabsichtigt, darüber zu reflektieren und zu diskutieren, was unter (Militär-) Verwaltung in der Vormoderne eigentlich genau zu verstehen ist. Durch praxisorientierte Beispiele militärischer Administration, der Kriegslogistik und der zeitgenössischen Kriegsinfrastrukturen des 16. bis 19. Jahrhunderts sollen die Prozesse der Institutionalisierung, der Bürokratisierung und Rationalisierung als eine Verflechtungsgeschichte erfasst werden. Ein weiteres Ziel des Projektes ist es, Impulse zur Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Dynamiken militärischer Konflikte in der Frühen Neuzeit beizusteuern, indem ein stärkeres Augenmerk auf die ebenfalls noch wenig beleuchteten, von Mobilisierung und Demobilisierung geprägten Übergangsphasen von Krieg und Frieden gelegt wird. Schließlich sollen Einsichten in die zeitgenössische Staatsbildung ermöglicht werden. Immerhin waren die im Zuge der ‚Modernisierung’ des Militärs und der Kriegsführung entstehenden Funktionseliten, sprich die spezialisierten Verwaltungsbeamten, Controller, Juristen, Mediziner oder Postbedienten, ja nicht nur Produkte, sondern zugleich Triebkräfte der sich im Verlauf der Frühen Neuzeit verstärkt in die staatlichen Strukturen integrierenden Militäradministration.

Ein erste Sondierung fand im Rahmen einer durch die Fritz Thyssen Stiftung geförderten Tagung statt. Eine Zusammenfassung der Tagungsergebnisse findet sich im Portal Militärgeschichte und die Beiträge sollen in überarbeiteter Fassung in einem Sammelband erscheinen.

HSU

Letzte Änderung: 28. Januar 2021