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Risikokommunikation

Risikokommunikation lässt sich einerseits als komplexes strategisches Entscheidungsproblem verstehen. Andererseits wird Risikokommunikation als „Austausch von Informationen über Risiken und Gefahren mit der Intention, Risikobewusstsein und -verständnis zu schaffen, risikohaftes Verhalten zu vermindern sowie risikominimierendes Verhalten zu bestärken (Weaver et al. 2008)“ verstanden (Rossmann et al. 2017). Im gesundheitlichen Verbraucherschutz fokussiert Risikokommunikation auf gesundheitliche Risiken und den partizipativen Dialog mit unterschiedlichen Stakeholdern wie z.B. diversen Zielgruppen in der Bevölkerung, informiert aber auch die Politik, Verbände und NGOs über diese Risiken. Ziel ist es, dass die Adressaten informierte und eigenständige Entscheidungen treffen können (Bruine de Bruin und Bostrom 2013, Morgan et al. 2002).

Der Begriff des Non-Events

Als Non-Event wird ein Ereignis bezeichnet, das aufgrund eines erfolgreichen Zusammenspiels von Risikofrüherkennung, Risikobewertung, Risikokommunikation und Risikomanagement weitgehend vermieden und in seinen widrigen Konsequenzen deutlich abgeschwächt werden konnte. Das vorliegende Forschungsvorhaben beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Zusammenspiel von Risikobewertung und Risikokommunikation im gesundheitlichen Verbraucherschutz. Non-Events stellen eine besondere Herausforderung für die Risikobewertung und Risikokommunikation dar, weil die tatsächlichen gesundheitlichen Risiken für den Verbraucher und die Gesellschaft in Form von Eintrittswahrscheinlichkeiten und Konsequenzen aufgrund des Erfolgs von Präventions- und Behandlungsmaßnahmen nicht direkt beobachtbar sind. Dies führt auf der Mess- und Bewertungsebene zu dem Problem, dass die gesundheitlichen Kosten einer Krise auf Basis kontrafaktischer Annahmen bzw. hypothetischer Krisenszenarien ohne Präventions- und Behandlungsmaßnahmen geschätzt werden müssen. Zusätzlich ist von einer hohen aleatorischen Unsicherheit in Bezug auf das individuelle Gesundheitsrisiko auszugehen.

Eine weitere Herausforderung durch Non-Events findet auf der individuellen Wahrnehmungsebene von Gesundheitsrisiken statt, denn die verhaltensökonomische und vor allem psychologische Forschung zeigt, dass die Wahrnehmung von Risiken mit zahlreichen kognitiven Biases behaftet und von den individuellen Informationsbedürfnissen (Risikokompetenz, Erwartungen, Einstellungen) abhängig ist. Somit ist es selbst bei relativ gesicherter Faktenlage in Bezug auf ein Gesundheitsrisiko unsicher, wie die Bewertung und Kommunikation dieses verbraucherbezogenen Gesundheitsrisikos in der Bevölkerung tatsächlich wahrgenommen wird und welche öffentlichen Reaktionen auf Vermeidungs- und Minderungsstrategien zu erwarten sind. Hinzu kommt das Problem, dass die erfolgreiche Vermeidung oder Minderung einer Krise aufgrund des Ausbleibens der erwarteten individuellen und gesellschaftlichen Konsequenzen zur Infragestellung des Risikos und der getroffenen Maßnahmen führen kann („Präventionsparadoxon“).

Fragestellungen

Es stellen sich somit folgende Fragen: Wie können Non-Events und entsprechende Präventionsmaßnahmen durch eine effektive Risikokommunikation sichtbar gemacht werden? Wie kann Risikokommunikation auch bei Wahrnehmungsverzerrungen und heterogenen individuellen Informationsbedürfnissen innerhalb verschiedener Stakeholdergruppen effektiv gestaltet werden? Inwiefern lassen sich die Ergebnisse für das Reputationsmanagement eines Akteurs im gesundheitlichen Verbraucherschutz nutzen? Die Forschungsgruppe trägt mit einer wissenschaftlichen Untersuchung, die auf einem theoriegeleiteten empirischen und experimentellen Methodenmix basiert, zur Beantwortung dieser Fragen bei.

Vorgehen

In der Regel erfolgt die Bewertung von Gesundheit und Lebensqualität mit den Standardansätzen der Finanzwissenschaft und Gesundheitsökonomik wie der Kosteneffektivitätsanalyse, der Kosten-Nutzwert-Analyse (z.B. in Form von QALYs/Quality-Adjusted-Life-Years und DALYs/Disability-Adjusted-Life-Years) und der Kosten-Nutzen-Analyse. Mit Hilfe von experimentellen Ansätzen (z. B. Standard-Lotterie-Methode oder Methode der zeitlichen Abwägung) werden die hierfür notwendigen Bewertungen (z.B. für die Erreichung eines bestimmten Gesundheitszustands, für die Vermeidung der Exposition mit einem Schadstoff oder für die Reduktion von Unsicherheit in der Nahrungskette) generiert und eine ordinal oder kardinal interpretierbare Maßzahl berechnet. So berechnet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) DALYs standardisiert und berücksichtigt dabei bspw. Hygienestandards – ein Bereich, der essentiell in der Lebensmittelsicherheit und damit im gesundheitlichen Verbraucherschutz ist.

Das vorliegende Forschungsprojekt entwickelt die Standardansätze für die Bewertung von Non-Events unter Einbeziehung von verschiedenen Formen der Unsicherheit (u.a. aleatorischer Unsicherheit) weiter und ergänzt die Standardansätze um subjektive Ansätze, die mögliche Wahrnehmungsverzerrungen wie Framing-Effekte und heterogene Informationsbedürfnisse berücksichtigen. Aus der theoretischen und empirischen Analyse der Interaktionen zwischen den Voreinstellungen und Erwartungen der Adressaten von Risikokommunikation und den kommunizierten Informationen in Form von Stellungnahmen, FAQs, Informationen und Pressemitteilungen werden zum einen wichtige Erkenntnisse für eine effektive Risikokommunikation generiert. Zum anderen lässt sich über die Berechnung der Kosten und Nutzen von Non-Events und damit vom Wert der Präventionsmaßnahmen auch die Reputation eines Akteurs im gesundheitlichen Verbraucherschutz steigern. Dazu bedarf es der Entwicklung von Kommunikationsansätzen, die wiederum auf Basis der Bedeutung von DALYs und QALYs (als Typen von HALYs/Health-Adjusted Life Years) für spezifische Zielgruppen und deren Gesundheitsinformationsverhalten entwickelt werden. Von Erkenntnisinteresse sind Fragen danach, welche Informationen im Kontext von DALYs und QALYs 1) zu kommunizieren und 2) wie diese aufzubereiten und zu vermitteln sind. Hier ist eine Verzahnung der Arbeitsprogramme beider Häuser angelegt.

Literaturverzeichnis

de Bruin, W. B., und Bostrom, A. (2013): „Assessing what to address in science communication”, Proceedings of the National Academy of Sciences 110 (Supplement 3), 14062-14068.

Morgan, M. G., Fischhoff, B., Bostrom, A., und Atman, C. J. (2002): Risk Communication: A Mental Models Approach. Cambridge: Cambridge University Press.

Rossmann, C., Brosius, H.-B., und Meyer L. (2017): „Risikokommunikation“, in: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Leitbegriffe der Gesundheitsförderung und Prävention. Köln. (https://www.leitbegriffe.bzga.de/)

Weaver, J. B., Weaver, S. S., und Di Clemente, R. (2008): „Risk communication“, in: Heggenhougen, H. K., und Quah, S. (Hg.): International Encyclopedia of Public Health, S. 601-606. Cambridge, MA: Academic Press.

HSU

Letzte Änderung: 2. Oktober 2023